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„Balsam für die Seele“

Zwei Stimmen aus dem DNT und dem Hüttenleben in Norwegen

Gunhild Lundblad
Beraterin beim DNT für Destinationsentwicklung
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Könntest du dich bitte kurz vorstellen?

Mein Name ist Gunhild Lundblad und ich arbeite beim DNT als Beraterin für Destinationsentwicklung. Ich genieße die Natur hier in Norwegen sehr und liebe es, Wanderern dabei zu helfen, ihre Touren zu planen und unsere fantastischen Berge zu entdecken.

Wie würdest du den DNT jemandem erklären, der ihn nicht kennt?

Der Norwegische Wanderverein (kurz DNT) ist Norwegens größte Organisation für Wandern und Outdoor-Aktivitäten. Der DNT hat ein großes Netzwerk aus charmanten Lodges und Hütten in den Bergen. In den bewirtschafteten Lodges begrüßen dich Gastgeber mit einer warmen Stube und einem Abendessen. In den Selbstversorger- oder unbewirtschafteten Hütten bereitest du dein eigenes Essen zu, holst Wasser und hältst den Ofen selbst in Gang. Und natürlich triffst du dabei auch andere Wanderer.

Welche Rolle spielt der Verein bei der Pflege und Instandhaltung der Wanderinfrastruktur in Norwegen?

Die DNT-Routen sind teils aus alten Wegen und Pfaden entstanden, teils wurden sie geschaffen, um den Bedürfnissen der Wanderer zu entsprechen – immer im Rahmen des allgemeinen Rechts auf freien Naturzugang. Sie dienen dazu, Wanderer (zu Fuß oder auf Ski) zu führen und gleichzeitig die Pflanzen- und Tierwelt zu schützen, indem sie den menschlichen Verkehr auf bestimmte Wege lenken. Die mit einem „T“ markierten Pfade zwischen den Hütten werden von DNT-Freiwilligen freigehalten und markiert. Viele Brücken werden ebenfalls von Freiwilligen gebaut und instandgehalten.

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Was erwartest du von deinen Gästen in Bezug auf Verhalten, Offenheit und Einstellung gegenüber der Natur?

Wir laden unsere Gäste ein, unsere wunderschöne Natur zu genießen – und sie zu respektieren. Wir erwarten, dass sich alle gut vorbereiten und ihre Tour gründlich planen. Sicherheit steht an erster Stelle: die richtige Ausrüstung, Kleidung und Verpflegung einpacken, lernen wie man Karte und Kompass benutzt. Natürlich können wir beim DNT mit allen nötigen Informationen helfen. In Norwegen haben wir freien Zugang zur Natur – aber wir erwarten, dass sich alle Wanderer an das Prinzip „Leave no trace“ halten.

Welche Begegnung oder Geschichte mit Gästen ist dir besonders im Gedächtnis geblieben?

„Wie viel Wasser muss ich für meine Wanderung mitnehmen?“ – diese Frage höre ich oft. Meine Antwort: „Gar keines – bring einfach nur eine Flasche oder einen Becher zum Auffüllen mit.“ Denn in den norwegischen Bergen kannst du das Wasser direkt aus der Natur trinken – es ist köstlich! Ich kann es nur empfehlen. Oft vergesse ich, dass das für Wanderer aus anderen Ländern unglaublich und überraschend ist.

Was macht für dich einen gelungenen Hüttenaufenthalt aus?

Einen freundlichen Gastgeber in einer warmen, gemütlichen Hütte zu treffen. Die Aussicht genießen, entspannen, Teil der Gemeinschaft mit anderen Wanderern zu sein, zusammen ein gutes Essen zu haben. Den Sonnenuntergang genießen, die sauberste Luft atmen, die man sich vorstellen kann. Nachts unter Millionen Sternen den Tag ausklingen lassen – und dann gut schlafen. Am Morgen ein ausgiebiges Frühstück genießen, bevor es hinaus in die Natur geht.

Wie wünschst du dir die Zukunft des Bergtourismus in Norwegen?

Wir möchten Gäste mit Informationen begrüßen, wie man die Natur respektvoll und achtsam genießen kann. Es ist wichtig, ein gutes Gleichgewicht zu finden. Wir müssen die Natur schützen und gleichzeitig die Zahl der Touristen in Balance halten. Das kann eine Herausforderung sein – auch für Norwegen.

Marius Haugaløkken
Hüttenwirt auf der DNT-Hütte Gjendesheim
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Könntest du dich bitte kurz vorstellen? Wie lange bist du schon Hüttenwirt in Gjendesheim?

Mein Name ist Marius Haugaløkken und ich bin 48 Jahre alt. Ich bin seit 15 Jahren Hüttenwirt in der Gjendesheim-Hütte. Davor war ich schon drei Jahre lang DNT-Hüttenwirt in Rondane (Rondvassbu). Insgesamt sind es also schon 18 Jahre!

Was hat dich motiviert, diesen Beruf zu ergreifen – und warum gerade hier in Jotunheimen?

Das ist der beste Job, den man haben kann! Ich habe nach einem Leben in den Bergen gesucht, und als Hüttenwirt in Gjendesheim habe ich genau das gefunden. Die Gäste, die hierherkommen, wollen ihre Freizeit in der Natur genießen – die Atmosphäre ist also sehr angenehm. Ich bin sehr dankbar, hier zu sein und dafür zu sorgen, dass alle eine gute Zeit haben. Überall glückliche Gesichter zu sehen, ist ein großartiges Gefühl. Jotunheimen selbst ist eine faszinierende Gegend – wir haben hier die höchsten Gipfel Norwegens, die tiefsten Täler. Es ist ein sehr vielfältiges Gebirge mit viel Vegetation, Tieren und Vögeln. Die Möglichkeiten sind endlos.

Was bedeutet es dir persönlich, in so einer abgeschiedenen, natürlichen Umgebung zu leben und zu arbeiten?

Ich liebe es, morgens aufzuwachen und meinen Kaffee draußen zu trinken. Es ist sehr friedlich und still. In Norwegen nennen wir das „Balsam für die Seele“. Ich bin sehr dankbar, hier in den Bergen zu sein.

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Seit wann gibt es die Gjendesheim-Hütte und wie hat sie sich im Laufe der Zeit verändert?

Gjendesheim gibt es seit 1878 – also fast 150 Jahre! Wie viele andere Hütten begann sie nur mit ein paar Zimmern und einer kleinen Küche, um vielleicht Suppe zu kochen. Seitdem hat sie sich stark weiterentwickelt. Jedes Jahr gibt es Veränderungen. Letztes Jahr haben wir ein neues Wohnzimmer sowie neue Duschen und Toiletten gebaut. Dieses Jahr entsteht ein ganz neues Gebäude mit zusätzlichen Zimmern mit fantastischer Aussicht. Trotzdem halten wir den DNT-Standard ein – Gjendesheim ist kein Hotel, sondern eine Hütte für alle. Die Duschen und Toiletten sind immer noch auf dem Flur. Wir bieten gutes, gesundes Essen und ein schönes Erlebnis in den Bergen.

Welche Annehmlichkeiten bietet die Hütte heute und welche Rolle spielt dabei die Einfachheit?

Die Gäste haben alles, was sie brauchen: gutes Essen, sauberes Wasser und ein gemütliches Wohnzimmer zum Entspannen nach einem langen Tag. Kein Luxus, sondern das Wesentliche. Es gibt Duschen mit warmem Wasser und eine brandneue Sauna direkt am See. Nach einem Tag draußen ist es herrlich, im Wohnzimmer am Kamin zu sitzen und den Blick auf Berge und See zu genießen. Der wahre Luxus ist, einfach dort zu sein – warm und sicher. Ein warmes, selbstgemachtes Essen ist die beste Belohnung für die Anstrengung des Tages. Schön ist auch, das Erlebnis mit anderen zu teilen, die ebenfalls die Berge lieben. Man sitzt an einem Tisch mit zehn Plätzen, lernt leicht neue Leute kennen, und wir versuchen, die Gruppen zu durchmischen. Das gefällt den Gästen sehr.

Welche Maßnahmen trefft ihr hier vor Ort, um so nachhaltig wie möglich zu wirtschaften?

Wir tun vieles, um nachhaltig zu handeln. Alles, was wir kaufen, beziehen wir lokal. Jedes Jahr bereiten wir etwa 16 000 bis 20 000 Mahlzeiten zu. Wir kaufen nur regionales Fleisch von Bauern, deren Tiere draußen in den Bergen bei Gjendesheim leben. Diese Tiere halten die Vegetation niedrig, sodass Blumen wachsen können und die Natur im Gleichgewicht bleibt. Die Transportwege sind kurz, die Tiere leben glücklich in ihrer natürlichen Umgebung. Außerdem wird alles vom Tier verwendet – so reduzieren wir Lebensmittelabfälle stark. Wir verwenden keine fossilen Brennstoffe, nur Solarenergie von unseren eigenen Panels, Wasserkraft und Holz. Wir kaufen keine Energie von außerhalb. Beim Bauen achten wir auf energieeffiziente Materialien und gute Isolierung. Abends gibt es ein einheitliches Menü für alle Gäste, das täglich wechselt – so bleibt wenig übrig. Wasser in Flaschen verkaufen wir nicht, stattdessen gibt es Leitungswasser. Im Laden kann man Schuhe mieten statt kaufen. Das gemeinsame Wohnzimmer spart zudem Heiz- und Reinigungskosten – und statt viele einzelne Hütten zu heizen, teilen wir uns die Räume.

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Gibt es spezielle DNT-Richtlinien oder Standards für Nachhaltigkeit, an die ihr euch halten müsst?

Ja. Die Hütten erstellen jedes Jahr Berichte mit genauen Angaben zu Abfallmengen, Plastikverbrauch usw. Wir folgen strengen Standards, die umweltzertifiziert sind. Die Berichte werden jedes Jahr analysiert und je nach Ergebnis passen wir die Nachhaltigkeitsziele an. So verbessern wir unsere Prozesse stetig.

Wie handhabt ihr Energieversorgung, Mülltrennung, Wasserversorgung und Lebensmittellogistik?

Beim Müll gibt es strenge Regeln: Wir trennen vor allem Glas, Plastik und Papier, bevor es ins Recycling geht. Wir verbrauchen so wenig Energie wie möglich und erzeugen unseren eigenen Solarstrom auf dem Hüttendach, damit kommen wir gut zurecht. Bei gutem Wetter kommen zwar mehr Gäste und der Verbrauch steigt, wir produzieren aber gleichzeitig auch mehr Energie. Beim Abendessen informieren wir unsere Gäste detailliert über die Herkunft ihres Essens – das führt erfahrungsgemäß zu weniger Lebensmittelabfällen. Unser Wasser kommt direkt aus den Bergen und ist absolut sauber.

Wie sensibilisierst du die Gäste dafür, die Natur respektvoll zu behandeln?

Ich glaube, Menschen, die gerne in die Berge gehen, haben grundsätzlich schon Respekt vor der Natur – das ist eine gute Grundlage. Wir sprechen mit den Gästen über unsere Umgebung, informieren in der Hütte, und gehen auch selbst raus. Zum Beispiel gibt es die „Besseggen-Patrouille“: Gemeinsam mit anderen Hütten gehen wir täglich über den Grat und sammeln Abfälle ein. Die Leute sehen das und nehmen es wahr. Wenn Müll herumliegen würde, würden vielleicht mehr denken, dass es okay ist, auch etwas hinzuschmeißen. Aber wenn alles sauber ist, fällt es umso mehr auf, dass man nichts wegwirft.

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Welche Touren oder Ausflüge empfiehlst du Gästen, die zum ersten Mal hier sind?

Wer Erfahrung in den Bergen hat, kann problemlos Tagestouren von 7 bis 8 Stunden machen – die Möglichkeiten sind grenzenlos. Ich persönlich empfehle allen den „Flower Path“. Du fährst mit der Fähre nach Memurubu, gehst aber nicht den Grat hoch zum Besseggen, sondern läufst am See entlang zurück nach Gjendesheim. Das ist eine sehr schöne, gemütliche Wanderung von etwa drei Stunden.

Was sind die Highlights rund um Gjendesheim?

Besseggen, Knutshøe, Gjendehø – eigentlich alle Berge rund um Gjendesheim. Man kann direkt von der Hütte losgehen und findet einfach überall wunderschöne Plätze.

Hat sich das Wanderverhalten der Gäste in den letzten Jahren verändert? Falls ja, wie?

Vielleicht ein bisschen. Die Leute sind stärker darauf fokussiert, das perfekte Instagram-Bild zu machen. Ich hoffe, dass sie wieder mehr den Moment genießen und weniger am Handy sind. Ich habe den Eindruck, dass wir inzwischen mehr Familien und auch sportliche, aktive ältere Menschen haben – ein Zeichen dafür, dass die Berge nicht nur etwas für superfitte junge Leute sind. Draußen in den Bergen aktiv zu sein, tut jedem gut – körperlich und geistig.

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