
Wir sagen es unseren Gästen immer wieder: Der Gipfel ist nur das Sahnehäubchen, der Weg dorthin aber das eigentliche Erlebnis. Trotzdem: Ohne eine gute Vorbereitung kann die Tour schnell zur Tortur werden, körperlich wie mental. Wer hingegen gezielt trainiert, macht aus dem Abenteuer ein unvergessliches Erlebnis. Und das Sahnehäubchen? Das schmeckt dann umso besser! In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die vier wichtigsten Trainingsbausteine für Ihre Aconcagua-Vorbereitung:
- Welche Art von Ausdauertraining wirklich zählt
- Wie Sie beim Krafttraining gezielt für Bergtouren arbeiten
- Warum Mobilität ein unterschätzter Gamechanger ist
- Mentale Strategien für den Gipfeltag und darüber hinaus

Wer einen Marathon läuft, trainiert monatelang dafür. Radsportler sammeln vor großen Touren viele Kilometer in den Beinen. Und wer sich vornimmt, fast 7.000 Höhenmeter zu meistern, der sollte sich mindestens genauso gewissenhaft vorbereiten, oder?
In meinen 22 Jahren als Bergführer am Aconcagua sehe ich jedes Jahr Gäste aus aller Welt, die sich dieser Herausforderung stellen. Viele sind sportlich, doch nur wenige haben sich gezielt auf 11 Tage bergauf in felsigem Gelände vorbereitet. Für die meisten ist der Aconcagua die erste Begegnung mit extremer Höhe. Gegen die Höhenluft kann man nicht viel machen, aber gegen die körperliche Überforderung. Wer mit einer soliden Ausdauerbasis, kräftiger Muskulatur, geschmeidigen Bewegungen und mentaler Stärke antritt, hat die besten Karten.

„Zone 2“, „aerobe Schwelle“, „Nasenatmung“, „Plaudertempo“, „2 mmol/L“ „Laktatwert“ – all das sind Begriffe, denen man zwangsläufig begegnet, wenn man sich mit den Grundlagen des Ausdauertrainings beschäftigt. Bei drei 8-stündigen Märschen und einem kräftezehrenden 14-Stunden-Gipfeltag ist klar: Der Aufbau einer soliden aeroben Basis ist absolut entscheidend. Mindestens 80 % Ihres Ausdauertrainings sollten in genau diesem Intensitätsbereich stattfinden.
Auf der Website von TrainingPeaks heißt es: „(Aerobes) Basistraining ist einfach: Trainieren Sie knapp unterhalb Ihrer aeroben Schwelle (Plaudertempo) … und halten Sie dieses Tempo.“ Klingt simpel. Dennoch finden es die meisten schwierig, sich an dieses langsame Tempo zu halten. Wer trainiert, will schließlich richtig trainieren! Schweißgebadet und außer Atem – so sollte es sich anfühlen, oder? Falsch! Dieses intensive Training macht nur etwa 20 % Ihres gesamten Trainingsvolumens aus – der Rest sollte in niedriger Intensität erfolgen. Wer sich hier falsch einschätzt, riskiert Übertraining, Erschöpfung und den Aufbau einer unzureichenden Grundlagenausdauer.
Aerobes Training ist zeitintensiv und wenig spektakulär. Für Instagram-Reels eher ungeeignet. Leider. Und trotzdem ist es auf physiologischer Ebene mit Abstand das effizienteste Training, für den Aconcagua und fürs Leben. Wie der Name schon sagt, ist es das Fundament, auf dem alle anderen Trainingsarten aufbauen. Denken Sie außerdem daran: Sie trainieren, um einen Berg zu besteigen. Das heißt, Ihr Ausdauertraining sollte so oft wie möglich mit Steigung stattfinden. Wer in der Nähe von Hügeln oder Bergen wohnt, sollte so viele Höhenmeter wie möglich in sein Training einbauen. Alle anderen, Flachländer oder Stadtmenschen, müssen sich mit Stairmaster-Geräten oder Laufbändern mit 15 bis 30 % Steigung behelfen.

Ins Fitnessstudio zu gehen, ist eine ganz eigene Erfahrung: Entweder man liebt es, oder man hasst es. Wer zur zweiten Gruppe gehört, muss sich etwas überlegen, um das Training irgendwie schmackhaft zu machen. Denn: Krafttraining ist nicht nur ein zentraler Bestandteil der Vorbereitung auf Bergtouren, sondern es zeigt sich auch zunehmend, dass das Heben schwerer Gewichte eine ganze Reihe gesundheitlicher Vorteile mit sich bringt, besonders für alle über 45 Jahre.
Der wichtigste Trainingsbaustein, nach dem Erlernen der richtigen Technik, ist das sogenannte „Maximalkrafttraining“. Dabei werden Gewichte in einem Bereich von 3 bis 5 Wiederholungen pro Satz und 3 bis 5 Sätzen mit einer herausfordernden Last gehoben. Der Satz sollte mit „einer Wiederholung in Reserve“ enden, das heißt: Nach deinen 3 bis 5 Wiederholungen solltest du das Gefühl haben, eine weitere noch geschafft zu haben, aber du führst sie bewusst nicht aus.
Wenn wir Muskelwachstum erzielen wollen („Hypertrophie-Training“), trainieren wir meist bis zum Muskelversagen, also bis wir das Gewicht nicht mehr heben können. Maximalkrafttraining hingegen zielt darauf ab, die Muskulatur stärker und effizienter zu machen, ohne zusätzliche Muskelmasse aufzubauen, die uns schwerer macht.

Es gibt zwei Hauptkategorien von Kraftübungen: Grundübungen (compound) und ergänzende Übungen (accessory). Grundübungen sind Bewegungsmuster, die mehrere Muskelgruppen und in der Regel zwei oder mehr Gelenke einbeziehen. Ergänzungsübungen sprechen gezielt einzelne Muskelgruppen an, erfordern geringere Lasten und dienen vor allem dazu, Schwachstellen zu beheben, Muskelungleichgewichte auszugleichen oder einen gezielten Reiz auf bestimmte Partien zu setzen.
Die vier Übungen, die ich als besonders hilfreich für das Bergsteigen empfinde, da sie die meisten Muskelgruppen abdecken, sind:
Kniebeugen, Hip Thrusts, Romanian Deadlifts und Step-Ups.
Wenn Sie dazu noch Trizepsdrücken am Kabelzug und einige hochwertige Core-Übungen ergänzen, haben Sie ein sehr effektives Trainingsprogramm im Fitnessstudio.
Wichtig:
• Lernen Sie die richtige Technik (ein paar Sitzungen mit einem Personal Trainer lohnen sich!)
• Absolvieren Sie eine Anpassungsphase vor dem eigentlichen Krafttraining
• Steigern Sie das Trainingsgewicht nie mehr als 5–10 % pro Woche
• Trainieren Sie intensiv, aber nicht bis zum Muskelversagen
• Finden Sie die richtige Balance zwischen Kraft- und Ausdauertraining
• Gönnen Sie sich ausreichend Regeneration

Eine der besten Gewohnheiten, die ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe, ist eine 15-minütige Mobilitätsroutine am Beginn jeder Trainingseinheit. Jay Dicharry beschreibt in seinem Buch „Running Rewired“ sehr anschaulich, warum diese Art von dynamischem Aufwärmen und Gleichgewichtstraining so wichtig ist.
Eines seiner zentralen Konzepte sind sogenannte „unplugged“ Muskeln – also Muskeln, die durch Verletzungen, falsch gelernte Bewegungsmuster oder Bewegungsmangel gehemmt sind und dadurch nicht mehr richtig aktiviert werden. Das führt zu unkoordinierten, ineffizienten Bewegungen, bei denen andere Muskelgruppen die Arbeit übernehmen müssen und dadurch überbeansprucht werden.
Mobilitätstraining bereitet das Nervensystem vor und hilft, die Muskulatur neu zu „kalibrieren“, sodass Bewegungen gleichmäßiger und kontrollierter ausgeführt werden können. Wie Dicharry es ausdrückt: „Diese Art von Training fördert die Muskelintelligenz.“
Ich wechsle regelmäßig zwischen verschiedenen Mobilitätsroutinen:
• Eine Einheit vor dem Krafttraining
• Eine andere vor dem Ausdauertraining
Jede dieser Routinen sollte sowohl Aufwärmübungen als auch Übungen zur Balance und Propriozeption enthalten – abgestimmt auf die jeweilige Trainingseinheit.

Es gibt noch ein letztes Thema, das ich unbedingt ansprechen möchte, auch wenn es ein Wort beinhaltet, das niemand gerne hört: Suffer=Leiden.
Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Sie sind ausdauernd, kräftig, und dank Ihrer Mobilitätsroutine bewegen Sie sich effizient und schmerzfrei. Was fehlt noch?
Als ich in der Bergführerschule war, hat unser Ausbildungsleiter stets betont, wie wichtig es sei, unsere „agonística“ zu trainieren – ein Begriff, den er selbst erfunden hat. Gemeint war damit die Fähigkeit, herausfordernde Situationen zu ertragen.
Bergsteigen in großer Höhe bringt nämlich eine ganze Reihe wenig glamouröser Herausforderungen mit sich. Auf einer aufblasbaren Isomatte zu schlafen ist nun mal nicht dasselbe wie eine gemütliche Nacht auf deiner Memory-Foam-Matratze. Und eine stürmische Zeltnacht fühlt sich bei Weitem nicht so romantisch an wie ein Aufenthalt in einer komfortablen Schweizer Berghütte.
Deshalb mein letzter Ratschlag: Setzen Sie sich bewusst harten, unangenehmen Situationen aus, natürlich in einem kontrollierten Rahmen. So entwickeln Sie eine Art „Suffer Buffer“, eine psychische Reserve gegen das Unangenehme.
Unternehmen Sie mehrere lange, anstrengende Wanderungen über mehrere Tage. Stellen Sie Ihr Zelt im Winter auf und übernachten Sie im Schnee bei schlechtem Wetter. Tragen Sie Ihre Bergstiefel beim Training, damit sich Ihre Füße an sie gewöhnen und robuster gegen Blasen werden
Von Ilan Zeimer
Leitender Guide bei Grajales Expeditions mit 22 Jahren Erfahrung und 58 erfolgreichen Aconcagua-Gipfeln.
Foto: Pablo Betancourt